KAISERWETTER
Nachrichten aus der Welt von Gestern.
Das Wetter im Sommer 1914 war ungewöhnlich warm und
sonnig, über 30 Grad im Juli. Kaiserwetter, sagten die Berliner
und strömten zu zehntausenden in die Seebäder. Die
Menschen taten, was sie immer tun: sie lebten und liebten,
arbeiteten und trauerten, waren vergnügt und sorgenfrei,
sorgten sich und wollten mehr. Worüber sprachen sie? Was
erwarteten sie vom Leben, von der Zukunft? Ahnten sie etwas
von dem, was kommen würde? Lagen schon Schatten über
dem Land? Gottfried Benn sinnierte über Lächerlichkeit und
seine Karriere, Franz Kafka wollte sich endlich verloben, wusste
aber nicht, wie. Der Gymnasiast Erich Kästner fuhr mit seiner
Mutter an die Ostsee – seine erste große Ferienreise, der
Hellseher Erik Hanussen versuchte sich als Varietékünstler,
Oskar Kokoschka trennte sich im Zorn von der schönen Witwe
Alma Mahler und konnte sich doch nicht trennen, Albert Einstein
trennte sich von seiner Frau. Noch viele andere kommen zu
Wort in dieser Collage aus Texten und Szenen: Berühmte und
Unbekannte, Musiker und Dichter, Maler und Journalisten,
Militärs und Hochstapler, Arbeiter und Philosophen, während
zwischen Mai und Juli 1914 der Weltuntergang immer näher
rückte.
Ein Kaleidoskop zeitgenössischer Stimmen mit Christian Dieterle, Franziska Mencz und Christian Kaiser